Ein Patient sitzt seiner Therapeutin gegenüber. Mit seinem Blick folgt er ihrer Hand, die sich rhythmisch von links nach rechts bewegt. Während seine Augen wandern, versucht er sich an markante Bilder, Sinneseindrücke und negative Gedankenmuster zu erinnern, die im Zusammenhang mit einem schrecklichen Ereignis stehen, das er erlebt hat.

Macht der Augenblicke – wie wirkt EMDR in der Traumatherapie?

Was auf den ersten Blick wirken mag wie eine moderne Form der Hypnose, bei der das Pendel durch die Hand der Therapeutin ersetzt wird, erweist sich zunehmend als eine der wirksamsten und schonendsten Methoden in der Behandlung von Traumafolgestörungen, die schnelle und vor allem nachhaltig anhaltende Resultate erzielen kann.

Die Rede ist von EMDR, kurz für Eye Movement Desensitization and Reprocessing. Auf Deutsch bedeutet EMDR: „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen“.

Entdeckerin und Entwicklerin der Methode ist die Psychologin Francine Shapiro vom Mental Research Institute in Palo Alto (USA). Nach einer schweren Krebserkrankung litt sie selbst an Angstzuständen, belastenden Gedanken und Flashbacks. Als sie eines Tages bemerkte, dass ihre Ängste und Sorgen nach einem Waldspaziergang verschwanden und nicht wiederkehrten, begann sie zu recherchieren und stellte schon bald fest: Bedingt durch den Lichteinfall der Bäume hatten sich ihre Augen ständig von links nach rechts bewegt. Doch lag hierin wirklich der Schlüssel für die heilende Wirkung ihres Spaziergangs?

Wie funktioniert EMDR?

Heute weiß man: Die von links nach rechts wandernden Blickbewegungen ähneln der Bewegung unserer Augen während des REM-Schlafs (REM = rapid eye movement). Hier verarbeiten wir Erlebtes und träumen besonders intensiv. Die EMDR-Therapie macht sich diese Wirkweise zunutze, denn besonders traumatische Erlebnisse gelangen zunächst meist unverarbeitet in unser Unterbewusstsein. Aktiviert durch Auslösereize – ein Geräusch, ein Geruch oder eine Berührung – kann es bei Betroffenen zu Flashbacks kommen: Sie haben das Gefühl, die Situation noch einmal durchleben zu müssen. Die EMDR-Therapie setzt genau hier an: Während die Betroffenen unter therapeutischer Anleitung den inneren Fokus auf die traumatische Erfahrung lenken, wird zeitgleich durch visuelle oder auditive Reize eine Stimulation beider Gehirnhälften angeregt, wie sie während des REM-Schlafs auftritt. Diese bilaterale Stimulation scheint einen Informationsverarbeitungsprozess anzustoßen, der die Synchronisation beider Gehirnhälften und somit eine Einordnung der, bis dato unverarbeiteten Erinnerungen an das traumatische Erlebnis ermöglicht.

Vielfach empfohlen – aber auch gut belegt?

Auch wissenschaftlich gilt die Wirksamkeit der EMDR-Therapie in der Behandlung von Traumafolgestörungen inzwischen als gesichert. Die Forschung zeigt: Nach der Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit EMDR fühlen sich 80% der Patientinnen und Patienten deutlich entlastet. Neuere Studien weisen außerdem auf weitere Bereiche hin, in denen EMDR positive Effekte erzielen könnte, wie etwa bei der Behandlung von Depressionen, Angststörungen und chronischen Schmerzen. Die Kosten der EMDR-Therapie werden bislang jedoch ausschließlich zur Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen von der Krankenkasse übernommen.

Welche Vorteile bietet EMDR?

Besonders im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungsmethoden gilt EMDR als ausgesprochen schonende und dabei sehr wirksame Form der Traumatherapie, bei der sich Erfolge oft schon nach kurzer Zeit einstellen. Natürlich kann es aber auch im Rahmen einer EMDR-Behandlung durch die intensive Auseinandersetzung mit der traumatischen Erfahrung und die angeregte Verarbeitung des Erlebten zu Nebenwirkungen wie einem kurzzeitigen Anstieg der Belastung kommen. Diese fallen in der Regel jedoch deutlich geringer aus als bei vergleichbaren traumaspezifischen Behandlungsmethoden

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Quellen:

Shapiro F: Eye Movement Desensitization and Reprocessing – Basic principles, protocols, and procedures. New York, Guilford 2001.

Online-Informationen von EMDRIA Deutschland e.V.: http://www.emdria.de (Abruf: 10/2022)

Online-Informationen der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) e.V.: http://www.dgpm.de/de/home/ (Abruf: 10/2022)

Bildnachweis: ID 750225 ©Sebastian Sørensen | pexels

Text & Layout: Praxis für Psychotherapie Janne Twenhöfel; Blogbeitrag von  Selin Kahl